Einschränkung der Berufsfreiheit

Im Intranet der Justiz NRW sowie im System Judica wurde für die Suche nach Dolmetschern die Einstellung der Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank verändert und auf das Bundesland: „Nordrhein-Westfalen" eingeschränkt. Ein derartiger eingrenzender Eingriff bedeutet eine Regulierung der Berufsfreiheit sowie eine Ausgrenzung und Benachteiligung der übrigen im bundesweiten Verzeichnis der Justiz eingetragenen Dolmetscher und Übersetzer.

 

Die Eingabe in der Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank der Justiz in NRW „Selen" beispielsweise führt was den Eintrag betreffend der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Niedersachsen sowie Schleswig-Holstein, wo Herr Selen ebenfalls allgemein beeidigt ist, zu keinem Ergebnis, ebensowenig im Fachsystem JUDICA. Erst wenn die Einstellung auf „Alle Bundesländer" + Nachname: „Selen" eingeben wird, erscheinen die Kontaktdaten. Betroffen sind mehrere Dolmetscher und Übersetzer, die in Nordrhein-Westfalen ansässig sind, allerdings in einem anderen Bundesland allgemein vereidigt und/oder ermächtigt sind; diese sind praktisch unsichtbar. Dabei gilt die Beeidigung für das gesamte Bundesgebiet. Herr Selen ist im gesamten Bundegebiet als Dolmetscher und Übersetzer tätig, es gilt Berufsfreiheit. Zudem gilt, dass nicht allgemein beeidigte Dolmetscher und ermächtigte Übersetzer von der Beauftragung nicht ausgeschlossen werden dürfen (Urteil Bunderverwaltungsgericht 6 C 15. 06, Rz.43 und Rz.46).

 

Die Einstellung im Intranet in NRW beeinträchtigt das Grundrecht des Dolmetschers und Übersetzers aus  Art. 12 Abs. 1 GG sowie § 189 Abs. 2 GVG. Näheres siehe Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes  6 C 15. 06 vom 16.01.2007.

 

Rechtsanwalt Dr. Gloria aus Essen über die Einstellung im Intranet der nordrhein-westfälischen Gerichte und Staatsanwaltschaften:

"Bei der Suche im nordrhein-westfälischen Intranet der Gerichte und Staatsanwaltschaften ist die Suche auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen nachträglich eingegrenzt worden. Vereidigte Dolmetscher und ermächtigte Übersetzer aus anderen Bundesländern sind im Intranet nicht direkt sichtbar.

Diese Handhabung im Intranet ist unzulässig, denn die Regelung des § 189 Abs. 2 GVG ist eindeutig:

„Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt, so genügt vor allen Gerichten des Bundes und der Länder die Berufung auf diesen Eid."

Gemäß § 189 Abs. 3 GVG kann auf die Vereidigung sogar ganz verzichtet werden:

„In Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Beeidigung des Dolmetschers nicht erforderlich, wenn die beteiligten Personen darauf verzichten."

 

Die Vorgehensweise in Nordrhein-Westfalen beeinträchtigt das Grundrecht des Dolmetschers aus Art. 12 Abs. 1 GG. In der Entscheidung vom 16.01.2007 - 6 C 15. 06 des Bundesverwaltungsgerichtes stellt dieser im Leitsatz fest, dass die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern und die Ermächtigung von Übersetzern durch Rechtsnormen geregelt werden müssen; allgemeine Verwaltungsvorschriften genügen nicht.

 

In der Begründung weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass die Tätigkeit der Übersetzer und Dolmetscher ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschützter Beruf ist. Mit den Regelungen über deren allgemeine Beeidigung und Ermächtigung wird die Berufsausübung in Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geregelt. Die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit umfasst jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Beruf ist demnach jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft.

 

In Rz. 46 dieser Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht wörtlich aus:

"Der Annahme einer Berufsausübungsregelung steht nicht der Einwand entgegen, dass die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern und die Ermächtigung von Übersetzern allein justizinternen Zwecken diene, nämlich dazu, den Gerichten im Einzelfall das Auffinden eines qualifizierten Dolmetschers oder Übersetzers zu erleichtern: Etwaige Auftragsnachteile, die das Fehlen einer allgemeinen Beeidigung mit sich bringen könne, seien allenfalls mittelbare Folge oder "Kernwirkung" der allgemeinen Beeidigung, aber nicht deren Ziel. "

 

Die gegenwärtige Struktur des Suchsystems im Intranet zeigt – trotz der nach § 189 Abs. 2 GVG in Nordrhein-Westfalen verbindlichen Rechtslage im Suchsystem Dolmetscher anderer Bundesländer nicht an. Dies beeinträchtigt die Rechte der Dolmetscher aus Art. 12 Abs. 1 GG, ohne dass hierfür eine Ermächtigungsgrundlage vorhanden ist. Es ist im nordrhein-westfälischen Recht keine Rechtsnorm ersichtlich, die es erlauben würde, Übersetzer und Dolmetscher, die in anderen Bundesländern vereidigt sind und für die § 189 Abs. 2 GVG demzufolge anwendbar ist, in den Suchsystemen zu unterdrücken.

 

Dies gilt umso mehr, als nach der AV des Justizministers vom 13.03.2008 (2162 - 1.4) - JMBI. NW S.85 in der aktuell geltenden Fassung Serviceeinheiten der Gerichte und Staatsanwaltschaften - sofern keine anderslautende richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung vorliegt - bei der Auswahl von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie von Übersetzerinnen und Übersetzern auf das gemeinsame Verzeichnis Zugriff nehmen müssen, was auf Drängen der Übersetzerverbände so festgelegt wurde. Damit liegt auf der Hand, dass die Struktur dieses Verzeichnisses offenbar eine berufsregelnde Wirkung für den Übersetzer und Dolmetscher hat. Auch aus diesem Grund haben vereidigte Dolmetscher aus anderen Bundesländern einen Anspruch wie ein in Nordrhein-Westfalen allgemein beeidigter Dolmetscher und ermächtigter Übersetzer behandelt zu werden.

 

Das Gleiche gilt - mutatis mutandis - für das Verzeichnis der Dolmetscher- und Übersetzer im Internet. Auch hier fehlen die entsprechenden Informationen. Es wurde in Erfahrung gebracht, dass diese über das Fachsystem Judica weitergeleitet und im Internet zur Verfügung gestellt werden. Auch hier erfolgen die gleichen Fehler wie in der Intranet-Darstellung. Auch diese Vorgehensweise halte ich aus den dargelegten Gründen für unzulässig. Auch aus diesem Grund sind die in einem anderen Bundesland vereidigten Dolmetscher auch von den nordrhein-westfälischen Verzeichnissen als ein nordrhein-westfälischer allgemein beeidigter Dolmetscher und ermächtigter Übersetzer zu führen.

 

Nachträglichen Befristung der Eigenschaft als allgemein vereidigter Dolmetscher

 

Auch bei der nachträglichen Befristung der Eigenschaft als allgemein vereidigter Dolmetscher handelt es sich um eine Berufungsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, für die eine gesetzliche Ermächtigung erforderlich gewesen wäre. Anders ausgedrückt: Die offenbar nachträglich in die Justizgesetze eingefügte Befristung der allgemeinen Vereidigung als Dolmetscher dürfte unwirksam sein. Vor dem 01.01.2011 gab es keine in den Justizgesetzen oder in anderen rechtlichen Grundlagen vorhandene Beschränkung, die vorgesehen hätte, dass der Dolmetscher-Eid nur für die Dauer von fünf Jahren abgelegt wurde."


Zu diesem Thema steht der Justizdolmetscherverband e.V. schon bald mit dem Justizministerium in Dialog.

 

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